Ältere Menschen haben ein höheres Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken. Im Jahr 2020 wurde viel darüber diskutiert, wie man ältere Erwachsene besonders schützen kann, ohne sie zu isolieren, weil Isolation auch negative Folgen wie Einsamkeit oder weniger Bewegung haben kann.
Weil es kaum Informationen darüber gab, wie gefährdete Gruppen langfristig mit der COVID-19-Pandemie umgegangen sind, haben wir uns folgende Frage gestellt: Wie kamen ältere Erwachsene über längere Zeit mit der COVID-19-Pandemie zurecht? Um diese Frage zu beantworten, haben wir über 2,5 Jahre hinweg regelmäßig Fragebögen unseren TREND-Teilnehmerinnen und Teilnehmern geschickt. Eine der Fragen war, was den Teilnehmern von Mai 2020 bis November 2022 geholfen hat, die Pandemie zu überstehen. Man konnte als sogenannten Freitext in eigenen Worten eine Antwort schreiben.
Unser erstes Ziel war es, die Antworten zu sammeln und zu kategorisieren. Wir nutzten qualitative Datenanalyse, um ein umfassendes Kategoriensystem zu entwickeln.
Zusätzlich wollten wir in einer weiteren Analyse herausfinden, ob es Zusammenhänge gibt zwischen den Bewältigungsstrategien und verschiedenen Faktoren wie Alter, Bildung, Angst vor COVID-19, Stress, Belastbarkeit, Depression, Einsamkeit, Lebensqualität, körperlicher Aktivität und Geschlecht. Diese Vorgehensweise nennt man Mixed-Methods-Ansatz.
Insgesamt wurden 4 561 Antworten gesammelt und in 427 verschiedene Kategorien eingeteilt. Dabei haben wir sechs Hauptkategorien identifiziert, wie die Teilnehmer mit der Pandemie umgegangen sind. Diese Kategorien sind:
1. Problemorientierte Strategien (z.B. Sport treiben)
2. Emotionsorientierte Strategien (z.B. soziale Kontakte pflegen)
3. Kognitive Strategien (z.B. positive Gedanken)
4. Allgemeine Überzeugungen
5. Lebensbedingungen
6. Bewertung der Situation (positiv, irrelevant oder stressig)
Das Modell, das wir verwendet haben, zeigt, dass Menschen Stress empfinden, wenn sie ein Ungleichgewicht zwischen sich selbst und ihrer Umwelt wahrnehmen. Je weniger Angst und Stress die Teilnehmer hatten, desto eher bewerteten sie die Situation wenig belastend. Menschen mit höherer Resilienz sahen die Pandemie seltener als stressig an.
Wenn Teilnehmer allerdings mehr Stress und Depression empfanden, beurteilten sie die Situation häufiger als belastend. Wer mehr Sport trieb, gab häufiger an, problemorientierte Strategien zu nutzen. Soziale Kontakte waren eine wichtige emotionsorientierte Strategie, insbesondere Telefonate und Videokonferenzen. Ältere Menschen nutzten moderne Kommunikationsmittel seltener. Frauen berichteten häufiger über Stress und Depression und waren weniger körperlich aktiv als Männer. Frauen bewerteten die Pandemie zudem zu Beginn eher positiv und schrieben mehr Antworten als Männer. Diese Ergebnisse stimmen mit anderen Studien überein, die ähnliche Bewältigungsstrategien und Unterschiede zwischen den Geschlechtern gefunden haben.
Zusammenfassend liefern die vorliegenden Ergebnisse neue Einblicke in die langfristigen Bewältigungsstrategien älterer Erwachsener während der COVID-19-Pandemie. Während der gesamten COVID-19-Pandemie waren emotional-fokussierte sowie problemfokussierte Strategien die wichtigsten Bewältigungsstrategien, während allgemeine Überzeugungen, allgemeine Lebensumstände und die Bewertung seltener genannt wurden. Allerdings lassen die bisherigen Ergebnisse keinen Rückschluss darauf zu, wie stabil diese Strategien für den Einzelnen waren. Wir müssen leider damit rechnen, dass eine nächste Pandemie und möglicherweise Lockdowns kommen könnten. Die Gesellschaft sollte sich deshalb hilfreicher Strategien bewusst sein, sie mit älteren Menschen teilen und solche Strategien und Aktivitäten unterstützen und ermöglichen. Diese Arbeit kann dabei eine Entscheidungsgrundlage sein. Veröffentlicht wurden diese Daten im Herbst 2023 in der Zeitschrift „Frontiers in Psychology“ unter dem Titel „Older adults’ coping strategies during the COVID-19 pandemic – a longitudinal mixed-methods study“ (Bewältigungsstrategien älterer Erwachsener während der COVID-19-Pandemie – eine Längsschnittstudie mit gemischten Methoden).